Die Engage 2025 in Den Haag war meine vierte Engage in Folge. Der Veranstaltungsort im Konferenzzentrum New Babylon gleich neben dem Hauptbahnhof war durchaus passend, wenn auch nicht so herausragend, wie einige der vorangegangenen, etwa die Handelsbörse in Antwerpen. Dafür war der Veranstaltungsort für das Engage-Dinner spekatkulär – eine aufgelassene gotische Kirche!
Es kamen diese Jahr etwas weniger Teilnehmer als letztes, dafür waren viele neue und vor allem junge Gesichter dabei – was mich besonders gefreut hat!
Das in den vergangenen Engage-Beiträgen immer an dieser Stelle präsentierte Bild von den Ambassadors kann ich diesmal nicht bieten – nicht, weil ich kein Ambassador mehr bin, sondern weil ich die Aufnahme verpasst habe. Schade.
Wie auch in den vergangenen Jahren, gab es auch diesmal wieder ein großartiges Angebot an über 60 Vorträgen, Round Tables und Workshops. Die großen Themen der diesjährigen Engage waren neben der Vorschau auf Notes & Domino 14.5 vor allem das mit Version 14.5 eingeführte Domino IQ sowie ein neues Angebot der HCL namens Soverign Cloud. Und dann gab es noch einige Überraschungen, wie die Ankündigung eines neuen Notes Clients (»Notes Next«) und einer neunen Plattform namens »Lotus Workspace«.
Domino 14.5
Version 14.5 war während der Engage noch Zukunftsmusik, steht mittlerweile aber im My HCLSoftwarePortal zum Herunterladen bereit.
In der Notes/Domino Fixlist Datenbank sind derzeit 493 neue Features und Fixes verzeichnet. Damit ist Version 14.5 ein größeres Update als Version 14.0 (mit »nur« 369 Features & Fixes). Eine Besprechung aller Updates der Version 14.5 finden Sie HIER.
Einige der Key Features in Domino 14.5 sind:
Domino IQ
Domino IQ, also die Implementierung von KI, stieß auf besonders großes Interesse. Die Besonderheit dabei ist, dass Sie Ihr eigenes, vertrauenswürdiges Sprachmodell (Large Languge Model, LLM) lokal in Domino laden. Die Daten werden dann lokal von Ihrem Domino-Server verarbeitet und an keinen Drittanbieter gesendet. Domino IQ bietet außerdem Erweiterungen in LotusScript, Java sowie in Rest-API, die von Entwicklern genutzt werden können. Als Administrator kann ich dazu nur sagen, dass die Implementierung von KI viel Überlegung und Zeit braucht. Außerdem benötigt IQ zusätzliche Hardware – zumindest in größeren Umgebungen. Natürlich gab es zu diesem Thema auch mehrere Vorträge, Folien finden sich aber nur zu diesem: »Transforming Domino Applications with LLMs: DominoIQ and Beyond«.
Natürlich wird es ein eigenes Kapitel zur Konfiguration und Verwendung von Domino IQ in meinem neunen Admin-Buch über Domino 14.5 geben. Leider ist dieses noch nicht fertig und ich arbeite bestimmt auch noch eine Weile daran. Ich halte Sie am Laufenden.
Anwendungsfälle für KI gäbe es viele, aber so weit ich das verstanden habe, gibt es vorerst nur zwei Möglichkeiten, Domino IQ zu nutzen: Zum Erstellen einer KI-generierten Antwort und zum Erstellen einer Zusammenfassung eines langen Mail-Threads. Aber das ist auch erst der Anfang, viele weitere werden folgen!
Enhanced Security
Es gibt zahlreiche neue Sicherheitsfeatures, mit denen ich mich im Detail noch auseinandersetzen muss. So fungiert Domino 14.5 jetzt auch als OIDC-Provider! Es gibt außerdem Erweiterungen im Bereich Passkey, so kann die Authentifizierung mittels Passkey etwa jetzt erzwungen werden.
Domino Auto Update
In Version 14.5 steht unter Windows und Linux jetzt endlich auch die automatische Installation (Auto Install) des Servers zur Verfügung. Damit hat die HCL das mit Domino 14 eingeführte Auto Update in 14.5 fertiggestellt. Daniel Nashed hat in seinem Vortrag alle Möglichkeiten kurz und knackig zusammengefasst.
Domino License Dashboard
Sie können die neue Datenbank Domino License Administration, kurz DLA (dominodla.nsf) auf dem Adminserver der Domäne verwenden, um eine Übersicht (ein Dashboard) aller Benutzer mit ihren Lizenztypen anzuzeigen.
Weitere interessante Features
- DAOS Erweiterungen und ein neues DAOSTune
- DirSync Erweiterungen
- Domain Catalog: Sortierbar nach ODS-Version
- Upgrade der Java JVM auf Java 21 LTS (Long-Term Support)
- Mandated NRPC Port Encryption
- Neue DBMT Kommandozeilenbefehle
- OnTime-Update auf 11.7.0-rc.16
- Update des panagenda MarvelClients
- Der bewährte iNotes Webaccess steht in Domino 14.5 nicht mehr zur Verfügung. Stattdessen ist jetzt zwingend Verse zu verwenden.
Notes 14.5
Der Notes-Client hat sich zwar kaum verändert, bietet aber eine interessante Neuerung für Entwickler und Poweruser mit vielen Datenbanksymbolen im Arbeitsbereich: Sie können nun endlich nach Anwendungen suchen! Das ist für mich ein echter Hit!
Mit Notes 14.5 kann man den Notes Client auch wieder im Basic Mode ausführen und das natürlich in 64-Bit. Dazu muss man das Programm notes.exe mit dem Zusatz “-sa” starten.
Designer 14.5
Wie auch schon in den vergangenen Releases finden sich im Designer keine nennenswerten Neuerungen. Zu erwähnen ist bloß, dass neue LotusScript-Klassen für DominoIQ eingeführt wurden. Was man damit genau machen kann, weiß ich noch nicht.
Domino Next
Der Ausblick auf die nächste(n) Version(en) in der Roadmap war etwas dürftig. So soll nächstes Jahr ein Update mit unbekanntem Namen erscheinen. Es soll unter anderem folgene Features enthalten:
- TLS 1.3 und HTTP/2
- Leichtere Implementierung von DMARC und DKIM
- Mehr KI
Notes Next
Die HCL kündigte einen neuen Notes-Client mit dem Projektnamen »Notes Next« an. Für viele war das eine Sensation, ist die Modernisierung des Clients doch seit Jahren überfällig – siehe diese Idee auf AHA mit über 900 Likes …
Leider gab es nur eine einzige Folie dazu, also nicht mehr als einen Teaser. Angeblich lud die HCL einige Teilnehmer zu einer Präsentation hinter verschlossenen Türen ein, in der ihnen der Produktmanager Tim Clark weitere Details zeigte. Ich war nicht dabei, habe aber gehört, dass es dabei sehr streng zugegangen sein soll, man musste sogar die Handys draußen lassen.
Was ich mir bisher zusammengereimt habe: Ein besser gestalteter, leichtgewichtiger Notes-Client befindet sich möglicherweise bereits in Entwicklung, höchstwahrscheinlich auf Basis von Web-Technologien. Ich hatte bisher den Eindruck, dass Nomad Web den Notes-Client ablösen sollte, daher bin ich mir nicht sicher, welche Strategie die HCL jetzt verfolgt, kann aber einer solchen Entwicklung nur zustimmen, denn die Anwender beurteilen Notes und Domino nach dem Client, da kann der Server noch so gut sein …
Ich bin zwar immer noch skeptisch, denn die HCL hat schon mehrmals einen neuen Client angekündigt, aber diesmal haben sie den Status der Idee doch tatsächlich auf »Planning to Implement« gesetzt! (Nach 7 Jahren!) Bleibt noch die Frage, wie lange es dauert, bis der neue Client verfügar verfügbar ist.
Rückkehr des Lotus-Brands?
Und dann wurde noch ein neuer Client namens »Lotus Workspace« angekündigt. Ja, sie haben richtig gelesen, es sieht so aus, als würde der Name »Lotus« zurückkehren – vorerst zumindest für ein Produkt. Oder auch nicht. Denn während Richard Jeffs den neunen Workspace in seiner Eröffnungsrede so nannte, deuteten andere HCL-Mitarbeiter an, dass der Name intern noch diskutiert würde.
Und was bringt Lotus Workspace? Die HCL verspricht damit Secure Teamwork und Sovereign Collaboration, natürlich inklusive (lokaler) IQ. Das heißt, hinter Lotus Workspace steckt ein eigener Cloud-Service – eine Sovereign Cloud. Was die HCL darunter versteht, können Sie in DIESEM Vortrag nachlesen. Was die zur Verfügung stehenden Tools anbelangt, bleibt das ganze noch ziemlich vage, aber neben den Fähigkeiten von Notes (Next?) und Domino, soll auch Office-Funktionalität (LibreOffice?) bereitgestellt werden.
Sametime und Connections
Ich freue mich, dass es diese beiden Produkte noch gibt, denn von der HCL hörte man in letzter Zeit nicht viel darüber. Auf der Engage gab es dennoch einen interessanten Vortrag über Sametime: »Mastering HCL Sametime Administration«.
Sametime V12.0.3 (mittlerweile veröffentlicht) enthält folgende neue Funktionen:
- Besprechungstranskripte
- Mobile Chatsuche
- Lesebestätigungen
- Chats ohne Container
Auch Connections V8 CR 10 ist bereits verfügbar:
- UI-Verbesserungen
- API-Modernisierung
- Neues Engagement Center
Mehr Details finden sich in der HCL Connections Roadmap.
Dass Connections nicht weiter verbreitet ist, bedauere ich, denn dabei handelt es sich um ein geniales Produkt, von deren Einsatz jedes (größere) Unternehmen profitieren würde:
- Ein soziales Intranet mit einem Newsfeed
- Communities (als Ersatz für SharePoint-Sites)
- Foren
- Wikis
- Integration mit Office-Produkten (ich hoffe wirklich, dass sie diese auch auf Libre Office ausweiten werden)
- Dateifreigabe mit Versionskontrolle
Nomad & Verse
Der Vollständigkeit halber möchte ich erwähnen, dass auch Roadmaps für Nomad und Verse vorgelegt wurden. Für diese beiden strategischen Produkte liefert die HCL jedes Quartal ein neues Update. Über den Einsatz von Nomad gab es auch den interessanten Vortrag: »Simplify Your Development and Take Your Apps Everywhere with Nomad«.
Gerüchte
Lust auf ein wenig Tratsch? Ich habe auf der Engage mit vielen Menschen gesprochen und viele interessante Gerüchte (Oder die Wahrheit?) erfahren. Hier ein paar davon:
Analysten sollen der HCL bald nach dem Kauf von IBM Domino gesagt haben, dass jede weitere Investition eine reine Geldverschwendung sei. Und für viele Jahre soll der Status von Domino für die HCL unklar gewesen zu sein. Erst mit der Ankündigung von Domino IQ letztes Jahr soll sich das Baltt grundlegend gewendet haben. Insider sprechen bereits vom »miraculous return of Domino«.
Ein weiterer Grund ist angeblich, dass Notes und Domino in afrikanischen Ländern so erfolgreich ist. Und dafür sprechnen interessanterweise keine technischen Gründe, sondern politische, nämlich, dass die HCL kein europäisches (und auch kein amerikanisches) Unternehmen ist. Denn das ist für Länder, die unter Kolonialismus litten, enorm wichtig.
Viele europäische Länder sollen nach den jüngsten Ereignissen (Internationaler Strafgerichtshofs u. a.) beschlossen haben, von den Software-Lösungen US-amerikanischer Unternehmen Abstand zu nehmen. Das sind für’s erste Lippenbekenntnisse, so wollen die Behörden in Deutschland in Zukunft zunehmend auf Open-Source-Alternativen setzen. Namen wie OpenExchange und LibreOffice sind gefallen. Die HCL war hier eigentlich nicht dabei, gilt sie in Europa doch wiederum als US-amerikanisches Unternehmen. Mit dem Angebot der Sovereign Cloud im eigenen Land oder zumindest innerhalb der EU ist sie meiner Meinung nach aber noch nicht ganz aus dem Rennen.
Nächstes Jahr soll die Engage irgendwo in Belgien stattfinden.
Mein Resümee
Der Besuch der Veranstaltung war ein Vergnügen und ich plane, nächstes Jahr erneut dabei zu sein. Bei der Engage geht es mir immer weniger um die Informationen der HCL selbst, welche man ja auch nachlesen kann, ohne die Veranstaltung besucht zu haben, sondern um den direkten Kontakt mit HCL-Mitarbeitern und den Austausch mit der Community.
Zur Weiterentwicklung der Produkte, von denen ich lebe, ist zu sagen, dass der Domino-Server (Hauptthema dieses Blogs) immer besser wird und meine Erwartungen voll erfüllt. Doch leider definieren die Anwender bei meinen Kunden das Produkt Domino über den Notes-Client, den dahinter liegenden Server nehmen sie kaum wahr. Und der Notes-Client wird von vielen Anwendern seit Version 6 als weitestgehend unverändert wahrgenommen und damit das Produkt Notes & Domino zunehmend in Frage gestellt. Daher lässt mich vor allem die Ankündigung von Notes Next hoffen. Leider kommt sie reichlich spät.
Aber Notes Next ist längst nicht mehr genug. Meine Kunden fragen mich, warum sie den Domino-Server behalten sollen? Viele sind Mail-seitig bereits wegmigriert und pflegen ihre Notes- und Web-Anwendungen nur noch auf Sparflamme. Die leistungsfähigen Client-Server-Anwendungen, die man mit Notes & Domino entwickeln kann, funktionieren zwar wie gehabt, es gibt jedoch seit Jahrzehnten keine echten Innovationen mehr. Das gilt noch stärker für die Entwicklung von Webanwendungen mit XPages. Und das ermuntert meine Kunden nicht gerade dazu, weiter in diese Entwicklungsplattformen zu investieren. Und MX (GO) interessiert meine Kunden nicht, das hat ihrer Meinung nach mit Domino nichts zu tun, »da kann man ja gleich zu SharePoint wechseln«. Meine Hoffnung ist jetzt, dass mit der Einführung eines neunen Clients auch ein neuer Designer mit neunen Möglichkeiten kommt. Und hier erwarte ich mir den massiven Einsatz von KI zur Code-Generierung, wie es andere Plattformen längst bieten.